piawindhoevel
Mittwoch, 3. August 2016
Freitag, 4. September 2015
Wandern auf alten Spuren
Ein Fotoalbum mit dem Titel "Genesungsurlaub 1944", geschrieben in der sauberen Handschrift meiner Oma auf dem Ledereinband. Darin Fotos von ihrem und jetzt meinem Sommerurlaubsziel. Ich wanderte auf den Spuren meiner Großeltern. Was hat sich geändert? Alles .... und nichts.Mit dem Ausflugsdampfer über den Achensee fahren, das war 1944 genauso beliebt wie 2015. |
Meine Oma vor dem Hotel Stefanie. Heute gibt es das Haus nicht mehr. Es wurde 1981 abgerissen. |
Pertisau ist seit 1944 nicht unbedingt an Einwohnern gewachsen, aber definitiv an Gästehäusern und Hotels. |
Auf rund 500 Einwohner kommen laut Tourismusverband fast 3000 Gästebetten. |
Beim Rudern auf dem Achensee: 1944 und 2015. |
Samstag, 3. Januar 2015
Der Selbsttest: Fahrradfahren in Berlin
Noch nie war Radfahren in Berlin so beliebt wie heute. Aber ist es nicht viel zu gefährlich, in der Großstadt zu radeln? Ich habe den Test gemacht.
Stramm spannt sich eine schmale, schwarze Schnur quer über
den Weg, knapp über dem rotgepflasterten Boden. Eine Stolperfalle, gestellt von
einem kleinen Hund. Er zieht an seiner Leine,
die sich dadurch nur noch mehr spannt. Ich sause ungebremst auf mein Verderben
zu. „Jessy, der Hund!“, schreit eine dicke Frau aus dem Fenster im zweiten
Stock. Ich beginne panisch zu klingeln und trete die Rücktrittbremse durch - fast zu spät. Dank einer sauber ausgeführten Kombination
aus Knopfdruck am Plastikgriff und Muskelkraft holt Frauchen die Rollleine wie
eine Angel mit einem Ruck ein. Freie Bahn in letzter Sekunde. Und wieder bin
ich dem Tod von der Schippe gesprungen, auf meiner Radtour durch eine der fahrradunfreundlichsten
Städte Deutschlands. Diesen Stempel hat der Allgemeine Deutsche Fahrradclub
(ADFC) Berlin in seinem letzten Fahrradklima-Test aufgedrückt. In der Umfrage zur Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte des Radler-Lobbyvereins,
rangierte Berlin 2012 mit Platz 24 von 38 weit hinten. Und doch war Radfahren
in der Bundeshauptstadt noch nie so beliebt wie heute.
"Berlin ist die beste Stadt für Fahrradfahrer",
Rudolf Arutinyan, Fahrradverleiher
Ich mache den Selbsttest und fahre typische Touri-Strecken
ab, nehme aber auch Schleichwege durch Wohngebiete mit und ohne ausgezeichnete
Radwege. Es ist ein knackiger Herbsttag, die Sonne steht fordernd hoch am
Himmel und schreit: Geh raus und unternimm was! Ich höre auf sie und schwinge mich
aufs Fahrrad. Ich bin in Berlin-Mitte, der Fernsehturm bewegt sich links an mir
vorbei. Unter mir saust der Asphalt der Spandauerstraße vorbei wie ein
Fließband. Ich fahre auf dem Gehweg, linke Seite, ganz verboten. Doch er ist so
breit, dass auf ihm zehn Radfahrer nebeneinander Platz hätten. Auf der Straße
saust eine Gruppe Rennradfahrer in Radlerhosen-Outfits vorbei, auf den
schwitzenden Köpfen sitzen festgezurrte Fahrradhelme. Ich trage keinen
Fahrradhelm. Wenn das die Mama wüsste.
Plötzlich bin ich doch auf einem Fahrradweg. Woher der
plötzlich kam und wohin er führt, man weiß es nicht. Die Verkehrsführung ist
schon mal ein Abenteuer. An der nächsten Ecke wird klar wohin er führt, nämlich
mitten auf die Grunestraße – eine achtspurige Bundesstraße, die quer durch
Berlin führt. Zum Glück haben die Autos gerade rot und ich kann mit den
Fußgängern über die Ampel rollen. Jetzt verhalte ich mich mal verkehrskonform
und bleibe auf der Fahrbahn.
„Berlin ist die beste Stadt für Fahrradfahrer. Die Straßen
und Bürgersteige sind breit, man kommt sich nur selten in die Quere und es gibt
nur wenige Steigungen.“ Rudolf Arutinyan würde das wohl auch über den Nordpol
sagen, wenn dort sein Fahrradverleih „Rent a Bike“ seinen Sitz hätte und nicht
in Berlin. Der 37-Jährige lebt von Touristen, die bei ihm Fahrräder leihen. Er
arbeitet mit Hotels und Einzelhändlern zusammen und zahlt ihnen eine Provision,
wenn er seine Räder von deren Gebäuden parken darf. „Bestimmt 5000 Stück haben wir über die ganze
Stadt verteilt“, sagt Rudolf, der eigentlich Germanistik und Geschichte an der
Humboldt-Universität studiert hat. Seit sechs Jahren verleiht und repariert er
Fahrräder. „Ich habe mir das alles selbst beigebracht“, sagt er. An der
Grunestraße unter der Bahnbrücke am Alexanderplatz ist einer der festen
Verleihstandorte. Seit Jahren boomt der Markt. „Es kommen immer mehr Touristen
und wollen sich die Stadt auf dem Fahrrad ansehen“, sagt Rudolf. Zehn Euro
kostet ein Fahrrad am Tag. Inklusive einer Stadtkarte auf er mit der Hand den
besten Weg vorbei an den wichtigen Sehenswürdigkeiten einzeichnet. Dann kommt
ein Pärchen rein. Spanier, die Fahrräder möchten. Rudolf springt sofort von
Deutsch auf Spanisch um und erklärt ihnen alles. Die beiden wollen mit Helm
fahren. „Das ist in Spanien Pflicht. Ich finde das eine gute Sache“, sagt der
junge Mann. Ja, ja, ja, denke ich, befreie mein Fahrrad vom dicken
Kettenschloss Eisenkette und fahre weiter.
Eine Touristengruppe auf knallroten Leihfahrrädern
macht es mir unmöglich, zu überholen
Mein Weg führt mich
durch die Einkaufsstraßen um die Hackeschen Höfe, über die Alte Schönhauser
Straße Richtung Prenzlauer Berg. Und dann kommt doch eine Steigung. Ich
verfluche Rudolf, der hat doch keine Ahnung! Und meine eigene Unsportlichkeit.
Und die Touristenfamilie die auf knallroten Leihfahrrädern vor mir her
schleicht und den kompletten Radweg blockiert. Die beiden Kinder, von Mutter
vorne und Vater hinten eingekeilt wie eine wertvolle Herde, pendeln von einer
Seite zur anderen und machen es einem unmöglich, zu überholen. Als ich dem
Vater schon mit meinem Vorderrad auf dem Gepäckständer hänge, bremst er
plötzlich. „Wartet mal, ich muss mal ein Foto... Oh Entschuldigung.“ Nur knapp
entkomme ich meinem zweiten Crash für heute und weiche auf die Fahrbahn aus.
Im Park am Weinbergsweg mache ich Pause. Die Grünfläche
wimmelt von Familien mit kleinen Kindern. Bevorzugtes Transportmittel:
Fahrräder mit Kindersitz auf dem Gepäckträger oder Fahrräder mit Anhänger.
„Autofahren kannste eh vergessen in Berlin und U-Bahn mit den Kleinen ist viel
zu stressig“, sagt Bea Wahlmann. „Da ist das Fahrrad schon praktischsten.“ Und
David und Johannes gefällt es auch im Doppelanhänger hinter Mamas Rad.
Gefährlich seien nur die Autofahrer, die manchmal so nah vorbeiführen, dass sie
die Fahrradfahrer fast streiften. „Da erschrecke ich mich immer total“, sagt
Bea. Ich nicke verständnisvoll. Wir tauschen uns noch ein wenig aus und
therapieren gegenseitig unsere kleinen Nahtoderlebnisse als Fahrradfahrer im
Berliner Straßenverkehr. Doch klar ist, Bea würde nicht aufs Radfahren
verzichten. Ich auch nicht, schwinge mich auf Rad und lasse mich den Hang des
Weinbergswegs hinabrollen.
"Nur wenn mir Jugendliche in die Rikscha kotzen, ist das scheiße",
Henrique Sabella, Rikschafahrer
Es geht Richtung Brandenburger Tor. Der Strom der Menschen
auf den Bürgersteigen wird dichter. Ich teile mir die Straße mit Autofahrern,
Pferdekutschen und Fahrradrikschas. „Es sind meistens Deutsche, die sich eine
Rikscha mieten“, sagt Henrique Sabella. Der 38-jährige Argentinier ist seit
drei Jahren einer von etwa 200 Rikschafahrern in Berlin. Der blondgelockte Mann
sitzt entspannt in seiner Ei-Förmigen Rikscha, blickt auf das Brandenburger Tor
und beobachtet die vorbei ziehenden Touristengruppen. „Ich liebe das Radfahren.
Auch wenn ich frei habe, fahre ich nur mit dem Fahrrad durch Berlin“, sagt er
in gebrochenem Deutsch. Gefährlich sei das nicht. „Nur wenn mir Jugendliche in
die Rikscha kotzen, ist das scheiße.“ Auch Henrique ist der Meinung, dass
Berlin für Fahrradfahrer großartig ist. Gefährlich sei es in jeder Großstadt.
Auch ich habe keine Situationen erlebt, die nicht auch in
anderen Metropolen hätten passieren können. Und wenn der Boom der letzten Jahre
anhält, fahren sowieso bald alle nur noch Fahrrad. Dann wird der ADAC Berlin
vielleicht zur autounfreundlichsten Stadt in Deutschland küren. Rudolf, Bea und
Henrique dürfte das freuen.
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